www.introspektiva.de - Tobias Jeckenburger: Die Reise des Kosmos - Online-Diskussion - KLuW e.V.: Die Wirklichkeit psychischer Krankheiten

Leicht irritierbar (J.W.)


Du sagst, ich wäre leicht irritierbar,
deswegen würde es mir schlecht gehen,
ja, du sagst, es liegt ganz gewiss nicht an unserem Konflikt,
nein du sagst - und ich glaube du meinst sogar ausschließlich -
an meiner erhöhten Verletzlichkeit und Sensibilität.

Ja, die habe ich ganz gewiss.
Und du wirst es glauben oder nicht:
Damit habe ich überhaupt kein Problem,
weil sie einfach Teil meiner Persönlichkeit ist.
Und für die Liebe z.B. ist das gut, ja sogar notwendig.
Habe ein Handicap, eine Beeinträchtigung,
manche Menschen sprechen auch von einer Behinderung,
ja, die habe ich, zweifelsohne,
sonst hätte ich ja meinen Schein über 50, 60, 80,
oder sogar 100 Prozent ja wohl nicht,
ja du siehst: Ich habe es amtlich.

Doch zurück zum Problem.:
Leicht irritierbar, oder nicht,
das ist meiner Ansicht, meiner Meinung,
aus meiner Perspektive gesehen nicht entscheidend,
dass ich hier gleich dekompensier, oder wie auch immer,
du das benennen magst.

Will es dir erklären, was es damit auf sich hat,
und was ich damit meine und verdeutlichen will:
Stell dir vor du hast ein Handicap.
Stell dir vor: Du gehst auf Krücken,
weil deine Beine nicht mehr richtig können.

Die Krücken hast du, weil du dein Gleichgewicht beim
Gehen und Stehen sonst - ohne diese - nicht halten kannst,
und so umfällst, umkippst und zerbrichst,
ja dir einfach ohne diese Dinger weh tust.

Wofür du die Krücken hast,
dafür habe ich meine Pillen,
also damit mein seelisches Gleichgewicht bleibt bestehen.
Das ist nicht schwer zu verstehen.


Doch weiter im Text:
Bei Menschen mit einem Handicap ist es jetzt so,
dass andere Menschen das Bedürfnis verspüren diese zu necken,
mit ihnen zu frotzeln, ja diesen so auf eine gewisse Art und Weise
leichte Stöße und Seitenhiebe zu versetzen,
woher dieses Bedürfnis auch immer kommen mag,
also seinen Ursprung hat,
dem müssen wir hier jetzt nicht auf den Grund gehen.
Dafür sind doch die Psychotherapeuten da.
Doch ganz nebenbei gefragt,
kann man diese Einstellung doch auch als
eine Art Handicap bewerten, oder etwa nicht?

Doch einem gesunden, im Gleichgewicht ruhenden Menschen
passiert bei dieser Art von Konflikten und Seitenhieben nichts,
zumindest nicht wirklich.
Die können das ab.
Die haben keine erhöhte Verletzlichkeit und Sensibilität.
Die brauchen keine Krücken oder Pillen,
damit ihr Gleichgewicht bleibt bestehen.

Ja, ein Hieb hier, ein Hieb da, tralala.
So geht das mal um mal, ja Tag um Tag,
zwischen uns Menschenkindern hin und her.
Immer weiter immer zu, ja das ist ganz normal.

Wenn du aber ein Handicap hast, eine erhöhte Sensibilität,
dann rate ich dir im Guten, ja dann gebe ich dir den Tipp:
Meide solche unsensiblen Menschen,
lass sie doch einfach dumm stehen,
und gehe einfach weiter deinen Weg,
denn sie verletzten dich,
und merken es vielleicht gar nicht,
und das tut dir wirklich nicht gut.

Der Mensch mit den Krücken geht jetzt davon aus,
dass sich sein soziales Umfeld auf ihn und sein Handicap einstellt,
d.h. Rücksicht nimmt, ihn nicht schubst und stößt,
weil er sonst sein Gleichgewicht verliert, hinfällt,
und dann alles für ihn noch schlimmer wird,
von Mal zu Mal, von jedem erneutem Hinknallen auf den Boden.
Nein, so behandelt man einen Menschen nicht.

Nein, so etwas tut man - oder zumindest ich - nicht,
wenn man weiß, dass jemand diese Art von Sozialverhalten
nicht zuträglich ist.
Da sind wir uns glaube ich alle einig, sofern wir keine Nazis sind.

Dieser Mensch mit Handicap fällt hin,
weil er lädierte, nicht funktionsfähige Beine hat,
oder fällt er hin, weil er geschubst, gestoßen worden ist?
Das ist hier die Frage.
Und entspricht das juristisch gesehen nicht dem Tatbestand der Körperverletzung,
oder etwa nicht?

Doch kommen wir zurück zu mir und meinem Vergleich meines
Verlustes des Gleichgewichts.
Was ist mit mir?

Was ist wenn jemand mein Handicap kennt und mich trotzdem
stößt, schubst, verunglimpft, ja mich zu Fall bringt,
vielleicht auch ohne das zu wollen.
Eine Absicht unterstelle ich nicht.

Da kann derjenige doch nicht sagen, argumentieren:
Ja, ich hab dich geschubst und du bist hingefallen, hast dir weh getan.
Doch dafür kann ich doch nichts.
Ich kann doch nichts dazu, das du ein Handicap hast und auf
Krücken gehen bzw. Pillen einnehmen musst
und bei einem leichten Schubs, bzw. Stoß
hinfällst bzw. dekompensierst.
Nein, dazu kann ich wirklich nichts.

Was würdest du von dieser Art von Sozialverhalten halten,
ja wie würdest du einen Menschen bewerten,
beurteilen, einordnen und einschätzen,
der andere Menschen so behandelt und verunglimpft,
kratzt, schubst und stößt?
Du hättest doch kein gutes Bild von ihm, oder?
So sprich!

Selber würde ich ihm raten an sich zu arbeiten,
ja einen Psychotherapeuten aufzusuchen,
damit sein Ungleichgewicht,
welches ja ganz offensichtlich vorhanden ist,
wieder ins Gleichgewicht gebracht wird.
Doch wenn er nicht einsichtig ist, können wir leider nichts für ihn tun,
in dieser Hinsicht, bis auf dass wir ihm aus dem Wege gehen,
unserer Gesundheit wegen.

(Jonas Winter)