www.introspektiva.de - Tobias Jeckenburger: Die Reise des Kosmos - Online-Diskussion - KLuW e.V.: Die Wirklichkeit psychischer Krankheiten

Langfristige Lösungsmöglichkeiten: BGE, möglichst weltweit (T.J.)


Das Hauptproblem von uns psychisch Kranken, neben nur mäßigen Therapieerfolgen, sind mangelnde Möglichkeiten von Arbeit und Beschäftigung. Aber auch die meisten Langzeitarbeitslosen haben genau das selbe Problem. Wir bräuchten einen unbürokratischen Arbeitsmarkt für Tätigkeiten nach dem Zuverdienstmodell, der jedem offen steht, der nach diesem Modell arbeiten möchte.

Es geht hierbei darum, das wir unseren Fähigkeiten entsprechende, anspruchsvolle Tätigkeiten ausüben können. Teils geht es darum, eine Arbeit zu machen, die man einfach um ihrer selbst willen gerne tut. Das kann Kunst sein, aber z.B. auch Gartenarbeit. Und es kann darum gehen, eine Arbeit zu machen, die zwar nachgefragt wird, aber nur zu geringen Entgelten stattfinden kann, z.B. weil die Kunden nur wenig Geld dafür haben. Das könnte z.B. eine Verstärkung der hauptamtlichen Betreuer im Altenheim sein, dass sich mehr auf menschlicher Ebene mit den alten Menschen befasst wird.

Da wir hiermit meistens in Konkurrenz mit gesunden, leistungsfähigen Menschen stehen, müssen wir eben mit dem Arbeitslohn herunter gehen. Das gilt nicht nur für psychisch Kranke, sondern für alle wenig leistungsfähigen Arbeitslosen. Weniger Geld ist für uns eher nicht ein Problem, wenn wir die Arbeit in erster Linie ausüben, weil wir es gerne tun, und wenn wir weiter unsere jeweiligen Unterstützungen wie EU-Rente oder Grundsicherung bekommen. Entsprechende Zuverdienstregelungen existieren ja zur Zeit schon.

Die Idee vom Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) in die Tat umzusetzen wäre hier ganz effektiv. Das BGE würde jeder Bürger bekommen und ein Zuverdienst wäre komplett freiwillig, würde aber dann ab dem ersten Euro voll besteuert. Leute, die gut verdienen, würden unterm Strich genau so viel herausbekommen wie bisher: was jetzt durch die Steuerprogression erreicht wird, würde dann durch einen einzigen Steuersatz für jeden ab dem ersten Euro mit einer Steuergutschrift in Höhe des BGEs geregelt.

Schön einfach und meiner Ansicht auch gerecht wäre, dass wahrscheinlich jeglicher Verdienst von Jedermann mit fast dem gleichen Steuersatz belegt wäre, und dass jeder in Form des BGE die gleiche soziale Ausgleichskomponente bekäme, vom Firmenchef über den einfachen Angestellten bis zum Obdachlosen. Wenn man dann noch die Krankenversicherung über die Steuern und das BGE abwickeln würde, wäre die Vereinfachung komplett. Eine Grundrentenversicherung wäre schon inklusive, Rentner bekämen als Grundstock auch ein BGE. Wer im Alter mehr Geld als das BGE haben will, kann ja eine Extraversicherung abschließen. Kinder bekämen dann auch ihr BGE, eventuell etwas weniger als Erwachsene, und die ganzen Posten wie Kindergeld und Steuerfreibeträge für Kinder wären auch unkompliziert und für jeden gleich geregelt.

Eine solche Vereinfachung durch ein BGE würde viele Arbeitsplätze in der Stadtverwaltung und anderswo vernichten – aber das sind so öde und unbefriedigende Arbeitsplätze, dass es da nicht schade darum wäre. Die freiwerdenden Staatsgelder wären zur Mitfinanzierung des BGE besser angelegt. Die entlassenen Verwaltungsmitarbeiter könnten sich dann ja entspannt eine gute und sinnvollere Arbeit suchen.

Selbst wenn jetzt viele heute gut bezahlte Arbeitsplätze zu geringen Löhnen im Zuverdienstmodell besetzt würden, wäre der Gewinn für die Menschen deutlich höher als die Kosten. Erstens wäre es freiwillig für wenig Stundenlohn zu arbeiten, und durch das BGE wäre für unbürokratischen sozialen Verdienstausgleich gesorgt. Zweitens würden Arbeiten, die die Arbeiter gerne machen auch für die Kunden wesentlich günstiger, so dass hier viele neue Arbeitsplätze entstehen würden. Und zwar an genau der richtigen Stelle.

Das Ganze würde nebenbei zu einem freien Wachstumsmarkt werden, der gute Arbeit, die man gerne macht, in immer größerem Ausmaß ermöglicht. Die Finanzierung des BGE wäre sehr viel einfacher, wenn Unternehmenssteuern und Zinssteuern zu den selben Steuersätzen wie die Lohnsteuer abgerechnet würden, und wenn man Steuervermeidung und Steuerhinterziehung über Ländergrenzen hinweg eindämmen würde.

Dazu wäre dann eigentlich eine internationale Wirtschafts- und Steuerpolitik nötig. Das ist natürlich gar nicht einfach umzusetzen. Andererseits gerät sowieso auf Dauer die ganze Weltwirtschaft von einer Krise in die nächste, wenn auf diesem Gebiet nichts passiert, und sich die Nationalstaaten weiter gegenseitig bei den Unternehmenssteuern unterbieten. Letztendlich wird sonst ein Staatshaushalt nach dem anderen Pleite gehen.

Konkurrenz belebt das Geschäft – oder ruiniert. Je nachdem. Die Konkurrenz der Nationalstaaten um Inverstoren jedenfalls ruiniert auf Dauer alle Staatshaushalte. Wenn die Großkonzerne international weit besser organisiert sind als die Regierungen, haben wir das nachsehen.

Ich will hier jetzt auch noch weiter über meinen Tellerrand hinaus gucken: Weltweit gesehen wäre ein sozialer Ausgleich für alle Menschen auf der Welt eigentlich bitter nötig. Eine internationale Wirtschafts- und Steuerpolitik würde auch Ausgleichszahlungen für arme Länder, die mit den reichen Ländern nicht mithalten können, beinhalten.

In vielen armen Ländern sind die Menschen übrigens in der selben Lage wie wir psychisch Kranke und wie Langzeitarbeitslose in Deutschland. Auch dort ist es sinnvoll, weit unter normalem Lohnniveau zu arbeiten, und es würde viel ändern, dort ein BGE einzurichten, entsprechend den Möglichkeiten der dortigen Staatshaushalte, bzw. entsprechend der Höhe internationaler Unterstützung.

Um noch weiter in die Zukunft zu schauen: ich fürchte, dass in 25 Jahren die Robotertechnik so weit ist, dass sich die Zahl konventioneller Arbeitsplätze um ein Drittel verringern wird, um in 50 Jahren weiter auf dann ein Drittel zu schrumpfen. Ohne BGE mit einem wachsenden Zuverdienstarbeitsmarkt und ohne hohe Zins- und Unternehmenssteuern werden wir das nicht überleben. Entweder werden wir verhungern, weil es vom bankrotten Staat gar nichts mehr gibt, oder wir leben im Bürgerkrieg und müssen uns mit polizeilichen Kampfrobotern und mit Schwärmen von libellengroßen, autonomen Killerdrohnen auseinandersetzen. Am Ende führt dann am weltweiten Atomkrieg kein Weg mehr vorbei, was für uns allerdings dann kaum noch eine Rolle spielen wird.

Es gibt ein Buch „Neue Arbeit, neue Kultur“ von Fritjof Bergmann, da ist dieses Thema ausführlich erörtert.
(Tobias Jeckenburger)