Öfter kontraproduktiv, aber auf jeden Fall teuer (T.J.)
Die finanziellen Anreize, und oft auch die finanzielle Not z.B. von Krankenhäusern, haben Wirkung. Es werden systematisch überflüssige Operationen durchgeführt, um Geld zu verdienen, und es werden systematisch Zusatzleistungen verkauft, die die Krankenkassen nicht bezahlen, weil sie überflüssig sind. Die Apotheken beraten oft so, dass sie Teures verkaufen können. Die Pharmaindustrie schafft es immer wieder, neue teure Medikamente hochzuloben und die Ärzte zu motivieren, sie massenhaft zu verschreiben, obwohl sie gar nicht besser sind als alte, kostengünstige Generika.
Dringend benötigte Medikamente, z.B. gegen Tropenkrankheiten oder neue Antibiotika werden nicht entwickelt, weil lieber neue Neuroleptika oder Blutdrucksenker auf den Markt gebracht werden, mit denen man mehr Geld verdienen kann. Mittel gegen chronische und verbreitete Krankheiten sind natürlich selbst dann profitabel, wenn sie wenig helfen, einfach weil der Markt dafür so groß ist. Impfungen oder gute Antibiotika werden selten und nur kurzfristig eingesetzt, das bringt wenig Profit, obwohl man hier die Menschenleben retten könnte.
Natürlich muss eine Pharmafirma so arbeiten, dass sie profitabel ist. Aber hier sollte der Staat selber die Entwicklung der fehlenden Medikamente bei Forschern in Auftrag geben, und die Krankenkassen sollten sich keine überfüssigen teuren Medikamente zu Fantasiepreisen gefallen lassen. Als Patient bekommt man von den überteuerten Behandlungen durch Medikamente oder Operationen oft kaum was mit, und muss sie auch nicht selbst bezahlen, aber natürlich zahlt man am Ende die Versicherungsbeiträge.
Ich muss hier feststellen, dass das ganze medizinische System neben der Heilung von Krankheiten in beträchtlichem Ausmaß auch auf Umsatz ausgerichtet ist. Den beteiligten Personen passt das meistens selber nicht, aber die Kostensteigerungen durch unnötige Maßnahmen werden dadurch noch nicht weniger. Ich schätze, dass mit halb so viel finanziellem Aufwand mehr für die Gesundheit der Patienten gemacht werden könnte, wenn eben die Gesundheit das Hauptziel aller Beteiligten wäre.
Man muss echt gucken, was die Ärzte und Apotheker einem vorschlagen und sich manchmal eine zweite Meinung holen oder sich selber kundig machen. Und wenn einem eine Therapie zweifelhaft erscheint, muss man nein sagen können. Im stationär-psychiatrischen Bereich hat man die Möglichkeit, eine Therapie abzulehnen, oft nicht, es kann sogar problematisch werden, eine Therapie nur zu kritisieren. Insbesondere Medikamente bei akuten Psychosen können in der Klinik meistens nicht abgelehnt werden, allerdings gehört hier oft die mangelnde Krankheitseinsicht tatsächlich zur Erkrankung. Gut ist es, Ärzte zu finden, denen man vertrauen kann, dass sie keine überflüssigen Sachen verordnen. Das gehört mit zur Qualität der Behandlung, ist aber leider nicht selbstverständlich.
Im psychiatrischem Bereich verschärft sich das Problem zusätzlich dadurch, dass Diagnosen unsicher sind, Behandlungsmöglichkeiten unspezifisch sind und meist nach dem Verfahren Versuch und Irrtum behandelt werden muss. Außerdem muss der Patient meistens gar nicht von der Sinnhaftigkeit der Behandlung überzeugt werden. Zwangsunterbringung und Zwangsbehandlung machen hier einen wesentlichen Anteil am Umsatz aus. Man kann hier nur hoffen, dass unsere Gesundheit bei diesen Zwangsbehandlungen die wesentliche Rolle spielt, auch wenn die finanziellen Anreize in eine andere Richtung gehen.
Es gibt viele Patienten, die meinen, dass sie völlig falsch behandelt werden. Trotzdem wird bei jedem Klinikaufenthalt die Behandlung davon unbeeindruckt entsprechend der Aktenlage fortgesetzt. Wenn man sich diese Leute anhört, hat man oft den Eindruck, dass die tatsächlich zu krank sind, um ihre Krankheit einzusehen. Aber prüfen lässt sich nur sehr schwer, wer jetzt recht hat.
(Tobias Jeckenburger)
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