www.introspektiva.de - Tobias Jeckenburger: Die Reise des Kosmos - Online-Diskussion - KLuW e.V.: Die Wirklichkeit psychischer Krankheiten

Ich seh und mach da keinen Unterschied - Erfahrungen eines Bewährungshelfers (E.S.)


Nach einer Ausbildung zum Krankenpfleger in Dortmund entschloss ich mich zum Studium und wurde Sozialarbeiter. Seit 2002 bin ich als Bewährungshelfer tätig. In einem Zeitraum von zwei bis fünf Jahren stehe ich Straftätern zur Seite. Ich unterstütze sie beispielsweise bei der Wohnungssuche sowie beim Kontakt mit Behörden und berate in unterschiedlichen Lebens- und Konfliktsituationen. Ferner muss ich ein Auge darauf haben, dass die Probanden ihre Bewährungsauflagen erfüllen und wirke mit unterschiedlichen Mitteln (Entwicklung von Problembewusstsein, Vermittlung an andere Beratungsstellen) präventiv neuen Straftaten entgegen.

Zwischen siebzig bis achtzig Menschen unterschiedlichen Alters werden gleichzeitig von mir betreut, eine Minderheit von ihnen hat eine psychiatrische Diagnose. Die Arbeit mit Menschen mit einer psychiatrischen Diagnose unterscheidet sich für mich nicht wesentlich zu anderen Klienten. Schwierige Probanden gibt es in beiden Gruppen. Ich versuche mich in der Betreuung immer wieder auf die individuellen Lebenslagen des Klienten einzustellen.

Ein vorurteilsfreier Blick auf die Menschen, die ich betreue, ist mir sehr wichtig, auch wenn vorliegende Urteile und eventuell vorhandene Gutachten das Bild des Klienten vorprägen. Aber Menschen können sich ändern, kranke ebenso wie gesunde. Sowohl der Aufenthalt in einer Haftanstalt als auch in einer forensischen Einrichtung prägen. Für längere Zeit aus seinem sozialen Umfeld und einem normalen selbstbestimmten Alltag herausgerissen zu sein hinterlässt Spuren und kann die Unselbstständigkeit fördern.

Über meine Diplomarbeit, in der es um neue Entwicklungen in der psychosozialen Versorgung von psychisch Kranken im Raum Dortmund ging, kam ich 1999 zum Psychoseseminar und engagiere mich bis heute ehrenamtlich in der Gesellschaft für seelische Gesundheit Dortmund e. V., dem Ausrichter dieses Trialogs. Den Austausch mit den Besuchern dieses Angebotes schätze ich sehr. Und auch im Beruf profitiere ich von den Erfahrungen der teilnehmenden Betroffenen, Angehörigen und im Bereich Psychiatrie Beschäftigten.

Wünschen würde ich mir ein flexibleres Hilfesystem. Für Menschen mit mehrfacher Beeinträchtigung, beispielsweise psychischer Erkrankung gepaart mit Alkoholabhängigkeit, möglicherweise zusätzlich mit körperlichen Einschränkungen, ein passendes Hilfsangebot zu finden ist schwierig. In anderen Fällen bereitet eine fehlende Diagnose bei der Vermittlung in eine Hilfeeinrichtung Probleme. Dadurch ist passgenaue Hilfe manches Mal unmöglich.
(Ein Sozialarbieter aus Dortmund)