Sie operieren mich in meinen Kopf (J.W.)
Gedicht über die Beziehung von Patienten zu Therapeuten
Sie operieren mich in meinen Kopf!
Schwester, Zange, Skalpell.
Alles steril. Alles steril gehalten.
Keine emotionale Bewegung ihrerseits, jemals.
Das Gefühl eingefroren.
Sachlich wird analysiert, thematisiert.
Sie operieren mich in meinen Kopf!
Schwester, Zange, Skalpell.
Und das muss noch raus (aus dem Kopf).
Doch wo bleibt, ist denn das Herz?
Ist es etwa nicht jenes, welches aus Verletzung
und Kränkung macht doch letztlich den Kopf „verrückt“?
Doch:
Sie operieren mich in meinen Kopf!
Schwester, Zange, Skalpell.
Alles so kalt, herzlos, kann ich da Vertrauen haben?
Nun, mein Freund, Vertrauen musst Du haben,
oder willst Du wirklich die (daraus folgenden)
Konsequenzen tragen?
Natürlich nicht!
Denn dann stehst Du wirklich im eiskalten Regen, und...
...und Dein Herz zerbricht endgültig!
Und das wollen wir alle wirklich nicht!
Sie operieren mich in meinen Kopf!
Schwester, Zange, Skalpell.
Das Skalpell, es schneidet so zart, präzise und fein,
da wird schon keine große Wunde hinterher mehr sein.
Das Blut wird weggewischt.
Tränen gibt es nicht.
Eine Narbe gibt es, oder auch nicht,
je nachdem was man sich von all dem verspricht.
Sie operieren mich in meinen Kopf!
Schwester, Zange, Skalpell.
Und letztlich hoffe ich doch für Dich,
dass Du einen kompetenten Profi findest,
der zu Deinem Herzen spricht:
Es geht dann hin, es geht dann her,
ach, Leute, Heilung ist gar nicht so schwer.
Doch suchen musst Du lange,
denn überlaufen sind die Guten allemal.
Warum gibt es nicht mehr von Ihnen?
Ist das nicht ein Skandal?
Sie operieren mich in meinem Kopf!
(Jonas Winter)
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