Die Anerkennung der Nichtsnützigkeit (T.J.)
Wir sind selten auf dem 1. Arbeitsmarkt beschäftigt, wollen aber trotzdem vernünftig leben. Die Frage nach Sinn und Unsinn ist dem Menschen wichtig. Von Natur aus freut man sich, wenn man was Sinnvolles machen kann, und man leidet, wenn man was Sinnloses machen muss. Noch schlimmer ist es, gar nichts zu tun zu haben. So treibt es einen immer wieder in sinnlose Tätigkeiten, deren einziger Sinn in dem Umsatz besteht, der damit verbunden ist.
Die Verteilung einer an sich sinnlosen Aktion auf Produzent und Konsument verschleiert den Unsinn. Wer alleine an einem 200 PS-Auto bastelt und vollkommen sinnlos damit herumfährt, ist nur Hobbybastler und in diesem Sinne im wesentlichen nichtsnützig. Wer am selben Auto bastelt, und von jemand dafür bezahlt wird, und dieser dann mit dem Fahrzeug sinnlos umherfährt, dann ist der Eine als Arbeiter staatstragender Leistungsträger, und der Andere als Kunde und Geldgeber staatstragender Konsument, der noch Steuervorteile bekommt, damit er mehr sinnlos herumfahren kann. So einfach kann aus Unfug hochgeachtete Tätigkeit entstehen. Staat und Arbeitgeber leben eben vom Umsatz, der Sinn der Produkte spielt überhaupt keine Rolle. Mit Harz4 und ähnlichen Zumutungen werden die Menschen dazu gezwungen, auf den Luxus des Sinns zu verzichten, auch wenn sie selbst verstanden haben, dass der Sinn von Arbeit eben doch sehr wichtig ist.
Ein Waldspaziergang ist erheblich sinnvoll, obwohl er in der Arbeitsstatistik nicht auftaucht. Man wird ja nicht gelaufen, um den Wald erleben zu dürfen. Würde man in einer Sänfte durch den Wald getragen, wäre die Arbeit der Sänftenträger auf einmal produktiv und nützlich. Und deren Bezahlung steuerpflichtig. Aber nur wenn man selber läuft, ist das erst ein vernünftiger Spaziergang, aber dann eben nichtsnützig. Vielleicht als Erholung anerkannt, aber höchstens, damit man am nächsten Tag mehr arbeiten kann.
Es gibt eine Menge derartiger Tätigkeiten, die viel Sinn machen, aber im Sinne einer steuerpflichtigen Arbeitsteilung nicht aufteilbar sind. Man kann sich bilden, sogar als Gasthörer an einer Universität, und einfach selber Freude an der Erkenntnis haben. Man kann im Internet recherchieren, und z.B. die allerneusten Nachrichten aus der Astronomie herunterladen, ohne dass ein einziger Euro über den Tisch geht. Und ohne dass irgendwer sonst davon was hat. Außer vielleicht, dass man andere mit seiner Begeisterung für Astronomie und andere Wissenschaften ansteckt. Hier haben wir Nichtsnützigkeit, die Sinn macht und hoffentlich ansteckend ist.
Wir können einfach Sprachen lernen, und ganz viel miteinander reden. Oder richtig gut kochen und richtig gut Essen, und uns mit heimischen Wildkräutern kulinarisch beschäftigten. Wenn man sich mit selbstversorgendem Gartenbau und Kleinviehhaltung beschäftigt, ist man mitten in der realen Welt zuhause, und tut noch einiges für die Natur in Stadtnähe. Öfter mal ein Vollbad nehmen, Skat und Doppelkopf spielen, oder auch mal einfach Fernsehen. Die Wege mit dem Fahrrad fahren spart Zeit, Geld und Energie und ist eine Maßnahme, den Kontakt zur Welt zu intensivieren.
Miteinander in Musik und Kunst bereichern nicht nur unser Leben, sondern sind am Ende sogar Quelle von Qualität und wirklichem Fortschritt. Arbeit in Ruhe hat Folgen – auch in der Wissenschaft. Ständig Forschungshäppchen raushauen bringt weniger als die wirklichen Probleme anzupacken und mal richtig lange zu überlegen und ausdauernd kreativ zu suchen, auch wenn man dann ein paar Jahre mal nichts zu veröffentlichen hat.
Die Arbeit am eigenen Leben und am eigenen Bewusstsein ist eigentlich sogar das Wichtigste, das man zu tun hat. Neugierde, Biografiearbeit, Erkenntnis, Naturkenntnis und Naturkontakt, Auseinandersetzung mit Pflanzen und Tieren als konkretes Gegenüber sind für das Leben als Mensch unentbehrlich, finde ich. Man selbst ist von Wert, als fühlendes Wesen, als bewusstes Wesen und als vernünftiges Wesen. Das ist erst mal die Voraussetzung dafür, dass man nicht nur versucht Kasse zu machen, sondern sich für seine Mitgeschöpfe und die gute Gestaltung der größeren Zusammenhänge einsetzt.
Der Wert des eigenen Lebens für sich selbst wird immer wieder angegriffen. In der Schule, im eigenen Elternhaus, in der Ausbildung und in der Arbeitswelt. Oft wird dir nur das erworbene Geld als Wert anerkannt, damit du es dann verpulvern kannst. Selbst wenn du dann Psychotherapie als Maßnahme gegen das Unglücklichsein einkaufst, ist die Welt offiziell noch vollkommen in Ordnung, und der Psychotherapeut bekommt seinen Sinn, seine Daseinsberechtigung und sein Einkommen gleich mitgeliefert.
Kommerzielle Strukturen sind meistens effektiv – und leider auch oft so effektiv, das die Lebensqualität der Angestellten dabei drauf geht. Das ist eine gravierende Art von Verschwendung. Gute Arbeit ist was wert, dass man sie machen darf. Der Erlebniswert der Arbeit geht verloren, wenn man sie zu schnell und zu lange machen muss.
Die Grundversorgung machen heutzutage im wesentlichen Maschinen, Computer und immer mehr Roboter. Da sollte jeder was von abbekommen, weil er Mensch ist. Einen Zuverdienst mit guter Handarbeit, nicht maximal effektiv, sondern so, wie man es noch gerne macht, ist was Feines. Und die Arbeit direkt am Menschen in der Pflege und in sozialer Arbeit funktioniert nur in Ruhe und ohne Hetze, und das hilft auch denen, die die Soziale Arbeit machen.
Wir müssen das einfordern, sonst geht unser Leben dabei drauf. Die Basis ist das Recht auf Leben, die Anerkennung des eigenen Lebens auch jenseits jeder Nützlichkeit. Und wenn wir auch vielleicht recht unnütz sind, so sind wir aber doch beglückend, wenn es uns gut geht.
Wir psychisch Kranke sind meistens als unfähig kaputtgeschrieben, das bedeutet, die Anerkennung unserer Nichtsnützigkeit vor dem Gesetz haben wir schon. Es mangelt noch an der Anerkennung unseres Lebens durch die Menschen, und öfter auch durch uns selbst. Lasst uns sehen, was noch geht. Lasst uns nehmen, was greifbar ist, lasst uns verteidigen, was unsere Freiheit erlaubt. Die Gelegenheit nutzen und uns gute Arbeit suchen, mit der wir zufrieden sein können und die Welt dabei kennen lernen dürfen. Kurse in Selbstdisziplin könnten wir noch gebrauchen, auf dass wir lernen, uns aufzuraffen, und damit anzufangen, auch in Eigenregie mehr gute Beschäftigung aufzunehmen.
Das Geben und Nehmen wird immer höher gehalten, die Arbeitsteilung immer kleinteiliger, die Arbeitswelt immer komplexer. Der Stress bei der Arbeit und der Konsum der Arbeitsergebnisse ufert immer mehr aus. Das macht schon länger keinen Sinn mehr. Es wird Zeit, dass sich das bessert, und Arbeit anders bewertet wird und auch Nichtsnützigkeit anerkannt wird.
(Tobias Jeckenburger)
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