www.introspektiva.de - Tobias Jeckenburger: Die Reise des Kosmos - Online-Diskussion - KLuW e.V.: Die Wirklichkeit psychischer Krankheiten

Die Geschlossene Station in der Psychiatrie (H.Z.)


Und dann packten mich plötzlich zwei Arme und zogen mich aus dem Auto, fesselten meine Hände mit Handschellen und zerrten mich in einen Krankenwagen, in dem nicht nur ein Sanitäter, sondern auch ein Polizist saß.

Schon bald waren wir im Krankenhaus, wo ich auf einem Bett fixiert wurde. Alle Gliedmaßen waren in Fesseln gelegt; hilflos lag ich da. Ein Pfleger fragte, ob ich lieber Tabletten oder eine Spritze wolle. Angst kroch in mir hoch, denn ich wollte beides nicht. In dieser Zwangslage „entschied“ ich mich für die Tablette. Ich wurde in einen leeren Raum geschoben, der Pfleger erklärte mir, dass ich in zehn Minuten einschlafen würde. Er stand die ganze Zeit hinter meinem Kopfende, so dass ich ihn nicht sehen konnte. Ich hatte nur noch Angst. Ich wollte wenigstens seine Stimme hören. Diesen Gefallen tat er mir auch, doch die Angst blieb bis zum Einschlafen.

Die Fixierung wurde nach dem Aufwachen wieder entfernt, ich wurde einem Mehrbettzimmer zugeteilt und stellte bald fest, dass die Tür der Station verschlossen war. Die Zwangsmedikation wurde fortgesetzt: Verweigerte ich die Tabletten, wurde ich von vier Pflegern festgehalten und bekam eine Spritze. Schon bald nahm ich die Tabletten, wenn auch unter verbalem Protest. „Unter Protest, aber ich nehme sie,“ war meine Standardformulierung. Zahnputzzeug bekam ich erst auf Nachfragen. Zu meiner Situation wurde mir nichts erklärt, alles beschränkte sich im Wesentlichen auf Tabletten- und Essensausgabe. Zu meinem Unglück hatte ich eine laute Schnarcherin auf meinem Zimmer, doch Ohrenstöpsel gab es hier nicht. Einige Male durfte ich auf meine Beschwerde hin im Besucherraum übernachten. Mein kranker Kopf definierte die Situation auf seine ganz eigene Weise: Ich fühlte mich durch die Zwangsmedikation mit dem Tode bedroht und verurteilte die Mitwirkenden. Als Patient einer geschlossenen psychiatrischen Station sah ich mich nicht. Während des gesamten langen Aufenthalts in der Klinik wurde ich durch das Personal über den Grund des Aufenthalts nicht weiter informiert. Vielleicht hätte dies zu einer etwas schnelleren Genesung beigetragen, zumindest wäre aber Vertrauen in die Klinikmitarbeiter entstanden.

Wegen mangelnder Beschäftigungsmöglichkeiten lief ich immer den ganzen Tag den Flur auf und ab, so dass sich jeweils an beiden Füßen esslöffelgroße Blasen bildeten. Ich zeigte sie dem Pfleger, ein schlecht haftendes Pflaster erhielt ich nur auf Nachfragen.

Nach etwa einer Woche habe ich dann in der Gemeinschaftsdusche mit Shampoo geduscht, Duschgel gab es nicht. Ich entdeckte dann auch Waschschüsseln aus Stahl und bat um Waschpulver, damit ich meine Kleidung waschen könne. Damit ich nicht völlig nackt beim Waschen war, band ich mir ein Duschtuch um und wusch zunächst nur die Legging und den Slip, ein anderes Mal nur das Shirt und den BH. Ich zog das halbnasse Zeug wieder an und ging meine Strecke im Flur. Das Verfahren kam fünf Wochen lang zur Anwendung, ohne dass es jemandem vom Personal in den Sinn gekommen wäre, mich mit einem zweiten Satz Kleidung aus der Kleiderkammer auszustatten. Ich wusste im übrigen nicht, dass es eine Kleiderkammer gibt.

Eine Nagelschere erhielt ich nur widerwillig, eine Nagelfeile gab es nicht.

Zum Kaffee gab es nur Fertigkekse, Kuchen wurde nur sonntags gebracht. Auch gab es auf der geschlossenen Station nur Mineralwasser zu trinken, Saft gab es nie. Nach fünf Wochen kam ich auf die offene Station und trank im Restaurant morgens und mittags jeweils zwei Gläser Obstsaft, später pendelte es sich wieder auf ein Normalmaß ein.

Es gab nur einen Besucherraum. Visiten beim Chefarzt gab es kaum. Ein Briefkasten für Beschwerden und Anregungen fehlte. Ein deutlicher, auch wiederholter Hinweis auf die Art der Erkrankung und deren Symptome durch das Personal hätte zu einer frühzeitigeren Krankheitseinsicht führen können, leider wurde dieser Weg nicht beschritten. Auch ein Hinwirken zur Teilnahme an der Ergotherapie und der Visite fehlte.
(Heike Zimmermann)